Gedankenlesen-Kolumne #5 – Über Serien

Willst du mal Gedanken lesen?

Geben wir es zu, alle gemeinsam: Wir alle würden manchmal gern wissen, was andere so denken. Denken tue ich viel. Schreiben auch. So lasse ich dich gern in meine Gedankenwelt eintauchen, in der Abhandlungen über soziale und kulturelle Fragen keine Seltenheit sind.

Über wiederentdeckte Serien

Letztens habe ich meine Lieblingsserie aus der Jugend wiederentdeckt. Warum, frage ich mich nun, warum fand ich sie gut?

Sie handelt von einem Mann der 1990er Jahre – weiß, im mittleren Alter, US-Amerikanischer Staatsbürgerschaft – der eine Fernsehshow über Handwerkstipps moderiert, gesponsert von einer großem Handelsunternehmen, assistiert von einer schlanken, körperbetont bekleideten und vollbusigen jungen Frau, Zuhause eine Ehefrau, die höchstens in Teilzeit arbeitet und drei Söhne.

Das große Hobby von dem Mann sind – ganz in US-Amerikanischer Manier – Autos. Er besucht Football-Matches, macht sich über die stark übergewichtige Mutter seines Kollegen lustig und baut sehr viele Unfälle, welche den Zuschauer amüsieren sollen. Er lebt in einem großen Einfamilienhaus, besitzt zahlreiche Werkzeuge, mindestens drei restaurierte Oldtimer und kauft ständig neue Dinge, die er dann verbessert will, kaputt macht und wegwirft. 

Diese Serie ist der Inbegriff einer antifeministischen, vor kapitalistischer Wirtschaftslogik triefenden US-Amerikanischen Sitcom. Warum, frage ich mich, warum zur Hölle finde ich sie gut?

Es kostet mich einiges an Überwindung, dies zuzugeben. Ich hatte eine durchaus radikale kapitalismuskritische Phase, welche ein Semester meines Studiums in Anspruch nahm, und ich habe irgendwann letztens beschlossen, mich zum Feminismus zu bekennen.

Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich finde diese Serie authentisch. Sie zeigt die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines US-Amerikanischen Bundesstaates der 1990er Jahre und zunehmend deren Wandel wie beispielsweise der tradierten Geschlchterrollen oder der Technologisierung. Dieser Wandel wird anhand von Konflikten verdeutlicht.

Ab Staffel drei beispielsweise entsteht ein Konflikt um den Wunsch der Ehefrau, Psychologie zu studieren. Sehr detailliert wird auf die Probleme eingegangen, die sich ihr entgegenstellen, Ehemann eingeschlossen.

Auch einer der Söhne macht in einer Folge auf die ökologisch katastrophale Konsumorientierung seiner Eltern aufmerksam, indem er in seiner Schülerzeitung einen vernichtenden Artikel über die Ökobilanz des Unternehmens, für welches sein Vater arbeitet, veröffentlicht.

In einer anderen Folge stellt er die Institution Kirche infrage – ein Graus für den christlichen Vater. Gegen Ende der Serie verlässt er die Familie, um in durch Aufforstungsprojekte die Biodiversität des Regenwalds zu retten.

Ein anderer Sohn verliebt sich in ein sehr viel älteres Mädchen und wird mit gesellschaftlichen Vorurteilen konfrontiert. Ansonsten ist er sehr beliebt, es ist der jüngere Bruder, der in der Schule sozial isoliert scheint – in einer Folge haben die Eltern bedenken, er könne eine Waffenaffinität entwickeln.

Die Familie zeigt nicht nur beispielhaft gesellschaftliche Probleme, sondern auch tatsächlich lehrreiche Konfliktbewältigungsstrategien auf.

Dabei hilft insbesondere der viel und weit gereiste, studierte und sowieso nicht ganz in die Gesellschaft zu passende Nachbar, welchen die einzelnen Mitglieder der Familie häufig im Garten antreffen, um ihn um Rat zu fragen. Dabei werden auf humorvolle Art Zitate großer Denker umgedeutet und auf den jeweiligen Konflikt übertragen. Es ist ein tolles Argument für die Sinnhaftigkeit, sich mit großen Literaten zu befassen – sie halten viele alltagstaugliche Ratschläge bereit.

In der Familie selbst werden diese Konflikt durch einen offenen Umgang, rücksichtsvolles Verständnis und einsichtige Gespräche bewältigt. 

Auch, wenn die Serie keine politischen Vorschläge macht hilft sie doch, auf individueller Ebene mit den Konflikten gesellschaftlichen Wandels umzugehen. Die Familie kann dabei als Äquivalent einer gemeinschaftlichen Gruppe gesehen werden, die von Unterschieden gekennzeichnet ist, aber doch irgendwie versuchen muss, zusammenzuhalten.

Manchmal kann es sehr lehrreich sein, seine alten Lieblingsserien mit kritischem Blick noch einmal zu schauen. Obendrein ist die Serie echt witzig. So fragt beispielsweise die mittlerweile studierende Frau ihren Mann „Was ist die Ursache von Geschwisterrivalität?“, der antwortet „Dass man mehrere Kinder hat.“

Von Mandy Lüssenhop

Dieser Beitrag entstand im Zuge eines kleinen Selbstexperiments, während dem ich mich im Kolumnen-Schreiben übte. Die Kolumnen schickte ich über einen Mailverteiler zunächst an Freunde und Familie, um ausgewählte Exemplare nun zu veröffentlichen.

Bildquelle: Eigene Aufnahme

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