Den Auftakt zum Protest „20 Wochen gegen 20 Atombomben“ bildete am 26. März eine Aktionspräsenz gegen Atomwaffen am Militärflughafen in Büchel. Jede friedensaktivistische Gruppe ist eingeladen, mit ihrer Botschaft und ihrem Symbol eine sogenannte Friedenswiese vor dem Fliegerhorst zu gestalten.
Berlin, den 25. März 2010, Parlamentssitzung.Der Bundestag fordert die Regierung fraktionsübergreifend auf, die Atomwaffen aus Büchel abzuziehen.
Büchel, den 26. März 2019, 11:58 Uhr.Die Hiroshima-Glocke erklingt. Es ist ein kalter, windiger Märztag. Aktivist_Innender Kampagne „Büchel ist überall! Atomwaffenfrei jetzt“ stehen am Fliegerhorst Büchel, um gegen die vermutlich letzten US-Atombomben, die in Deutschland stationiert sind, zu protestieren. Es sind auch viele junge Aktivist_Innender Jugenddelegation der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) gekommen. Sie werden an der diesjährigen Vorbereitung zur Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages in New York teilnehmen. „Das hier ist der gefährlichste Ort Deutschlands“, betont Arai von der Jugenddelegation. „Während in Berlin, Paris und Brüssel über Demokratie und Menschenrechte gesprochen wird, lagern dort, wo wir wohnen reale Atomwaffen – einsatzbereit!“
Seit 50 Jahren ist Nichts passiert
Nächstes Jahr ist es bereits 50 Jahre her, dass der multilaterale UN-Atomwaffensperrvertrag (NPT) von Deutschland sowie von 190 weiteren Staaten unterzeichnet wurde, um in „redlicher Absicht über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter wirksamer Kontrolle Verhandlungen zu führen“. Seit dem geschehen ist: Nichts. Elke Koller von der Kampagne fordert daher: „Es ist zwei Minuten vor zwölf, doch die Bundesregierung weigert sich, etwas gegen das nukleare Wettrüsten zu tun. Wir verlangen ein klares Signal gegen Abrüstung.“ Dies soll durch den Abzug der Atomwaffen in Büchel sowie dem Beitritt Deutschlands zum durch ICAN konzipierten Atomwaffenverbotsvertrag von 2017 geschehen. Dieser wurde von 122 UN-Mitgliedsstaaten verabschiedet. Bisher haben ihn 70 Staaten unterzeichnet und 22 ratifiziert. 90 Tage nach der fünfzigsten Ratifizierung tritt er in Kraft.
Die Lage spitzt sich sogar weiter zu
Der Protest wird von einer bedrohlichen Entwicklung begleitet: Am 2. August hatte der US-amerikanische Präsident Donald Trump den INF-Vertrag aufgekündigt, ein seit 1988 bilateral gültiges Abkommen zwischen den USA und Russland, welches das Verbot sowie die Vernichtung aller nuklear bestückten Mittelstreckenraketen (Intermediate Range Nuclear Forces) regelt. Die Atombombe wurde in Zeiten des Ost-West-Konfliktes machtpolitisch als nukleare Abschreckung mystifiziert. Das Netzwerk Friedenskooperative analysiert: Diese internationale politische Konstellation ist veraltet. Moskau und Washington warfen sich gegenseitig Vertragsbrüche vor. Atomwaffengegner fürchten ein neues nukleares Wettrüsten in Europa, seit Russland und die USA mit der Ankündigung einer Wiederaufnahme von Forschung und Modernisierung der Kurz- und Mittelstreckenraketen reagiert hatten. So erklärten die USA, bis 2023 etwa vier Milliarden Dollar in die Modernisierung der Nuklearwaffen des Typs, der in Büchel stationiert ist, zu investieren.
Deutschland ist ein nuklearer Teilhabestaat. Etwa 20 US-Atombomben liegen nach unbestätigten Informationen in Büchel – mit jeweils der vier- bis maximal 13-fachen Sprengkraft der Bombe, die 1945 in Hiroshima etliche Zivilist_Innen sofort oder durch Langzeitfolgeschäden tötete. Im Ernstfall ist die deutsche Luftwaffe beauftragt, sie einzusetzen. Hierzu müssen diese vom Präsidenten der Vereinigten Staaten freigegeben werden. Weltweit gibt es noch mehr als 15.000 Atomwaffen, die Atomwaffenstaaten rüsten qualitativ auf. Dies bedeutet zwar keine reine Mehrung der Anzahl von atomar bestückten Waffen, allerdings bringt auch die verbesserte technische Aufrüstung der Waffen eine ernst zu nehmende Verschärfung der Lage mit sich.
„Free Clara“
Die Aktivist_Innen in Büchel halten Buchstaben in die Höhe. Auf ihnen steht: „Free Clara“. Die Aktivistin aus Lüneburg hatte 2016 mit Weiteren die Startbahn des Fliegerhorstes besetzt, „um dort die regelmäßigen Übungen für den Atomkrieg zu stören“, wie sie in einem Interview erklärte. Daraufhin wurden sie wegen Hausfriedensbruch zu 30 Tagessätzen verurteilt – der Großteil wurde von Unterstützer_Innen übernommen. Doch Clara möchte die Geldstrafe nicht zahlen und entschied sich stattdessen für eine Ersatzfreiheitsstrafe vom 21. bis zum 23. März, „um noch ein stärkeres Zeichen zivilen Ungehorsams gegen Atomwaffen und für eine friedlichere Welt zu leisten. Wir tun nichts Unrechtes, wenn wir uns gegen Atomwaffen einsetzen.“ Daher konnte sie auch bei dem Demo-Auftakt nicht persönlich dabei sein, ließ aber ein Statement verlesen. In diesem machte sie deutlich: „Ich bin Teil einer ganzen Bewegung, die sich seit Jahrzehnten dafür einsetzt, dass endlich Schluss ist mit den Massenvernichtungswaffen!“
Ein kleiner Teil dieser Bewegung kämpfte an diesem 26. März für ein großes Ziel: Frieden für Büchel und Frieden für die ganze Welt.
Mandy Lüssenhop
Auch das SWR Fernsehen berichtete über uns, zu sehen bin auch ich mit einem Statement zu Clara: Protest gegen Atomwaffen, SWR, 26.03.2019.
Dieser Artikel erschien in leicht veränderter Form in der Zeitschrift „FreiRaum – Für eine Welt ohne Atom- und Uranwaffen. Für die friedliche Nutzung des Weltraums“ in der Ausgabe Nr. 1 / April 2019 der Mutlanger Friedenswerkstatt (klicke hier um direkt zur kostenlosen PDF-Online-Ausgabe zu gelangen).
Bildquelle Titelbild: die Jugenddelegation der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) beim Protest in Büchel, 2019, unbekannter Fotograf (CC)