Über deutsche Manier und Hundekot in Plastiktüten

Scheiße. Im wahrsten Sinne des Wortes: Die Autorin affirmiert sich in ganz deutscher Manier über die Regulierung, den natürlich abbaubaren Kot von Hunden in nicht-mal-in-den-Lebjahren-dreier-Generationen-abbaubaren Plastiktüten zum Wegwerfartikel zu degradieren, klärt über die Hintergründe der politischen Regularie auf – und versucht sich an einem neuen journalistischen Format.

Die Vorgeschichte

Es ist heiß in Deutschland (das wird weder ein erneuter unter einer bereits unüberschaubaren Anzahl an Artikeln über „Hitze-Deutschland“, noch einer, der sich in typisch deutscher Manier über das Wetter beschwert – doch mit dem Klima hat dieser Artikel allemal zu tun). Ich spaziere mit meiner Mutter durch unser Dorf (das längst keines mehr ist) über piekfein gemähten Rasen (auf dem lang keine Blumen mehr wachsen) und es ist wie ausgestorben (was es schon immer war): Die Menschen fliehen sich vor der Hitze an Seen (die längst industriell ausgehoben sind) oder in ihre klimatisierten Häuser (und echauffieren sich über steigende Stromkosten und Energiekonzerne). Alles ist typisch vorstädtisch idyllisch. Die Vögel zwitschern, eine sanfte Briese weht durch die raschelnden Bäume, der Himmel ist blau. Wir befinden uns in einem entspannt-meditativen Zustand (welcher der brennenden Sonne auf unseren Köpfen zuzuschreiben ist). Dann: Der Hund, den wir spazieren führen, kackt. mitten. auf. die. Wiese. Ganz schnell weg ist die Idylle und der halb-offene Zustand der Augen, ja weg ist der Frieden. Schon ist das schwarze (vermutlich damit niemand auch nur den Anblick des dunklen Haufens ertragen muss) Stück Plastik gezückt, der Kot mit gerümpfter Nase und einem gekonnten Handgriff aufgehoben und durch schnellen Schrittes in einen nahestehenden öffentlichen Müllbehälter manövriert. Und ich denke nur: Was für ein Scheiß. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und da überkommt es mich: Ich lasse meinen Gedanken lautstark freien Lauf (damit war ich es, die die Idylle gestört hat). Mama’s Job: Alles ertragen. Als ich mein eigenes Klima wieder unter Kontrolle habe, sagt sie jedoch etwas, das mich zum nachdenken gebracht hat: Sie wünschte, sie hätte alles auf Video aufgenommen. Wir lachen. Und jetzt sitze ich hier und schreibe an einem für mich ungewohnten Kommentar, der einen ungefilterten Einblick in die seltenen Momente gibt, in denen ich mich mal richtig aufrege:

Wieso müssen wir die Scheiße in Plastiktüten packen?! Die Scheiße ist Bio und versickert im Boden und der Plastik lagert 450 Jahre im Meer. Minimum! Das kann’s doch nicht sein: Weil wir saubere Wiesen haben wollen, zieht sich vielleicht genau diese Tüte einer ölverschmierten Möwe über den Kopf, die daran ersticken muss. Was würde denn mit dem Kot schon schlimmes passieren? Ok, wenn wir wirklich so Argumentieren wollen, dann beschäftigen wir uns mal mit den dreckigen Gummistiefeln von Kindern, die auf sauberen Wiesen spielen sollen! „Damals, als ich noch ein Kind war“ hab ich auch schon „in der Kacke gegessen“. Was soll schon passieren? Lebenslanges Trauma? Eher eine sinkende Toleranzschwelle gegenüber Dreck! Wenn man nämlich in und mit der Natur aufwächst, profitiert auch das Immunsystem. Und das ist ja nur die Spitze des Eisbergs an unsinnigen Argumenten für die Tüte. Unsinnig weil: Wir wollen saubere Wiesen haben. Aber die BRÄUCHTEN wir ja gar nicht, hätten wir kein Plastik, denn Wiesen sind ja VON-NATUR-AUS-SAUBER. Apropos Spitze des Eisbergs. Auch die wird es bald nicht mehr geben. Das steht fest (auch, wenn Donald das Gegenteil behauptet). Was passiert dann eigentlich mit Sprüchen wie diesem (Spitze des Eisbergs und so)? Schon in hundert Jahren könnten Kinder fragen, und das ist ein gar nicht so unrealistisches Szenario, ‚Mama, wie ist eigentlich dieser Spruch entstanden?’. Erklärt man das dann so wie in den Verpackungen von Papes für Drehzigaretten, die in ihrem Deckel so Erklärungen stehen haben wie „Damals im Mittelalter, als es noch Ritter gab und Könige, da haben die Sklaven (die gab es auch noch offiziell) ihren Herren nach Aufforderung ihr Getränk gereicht, deswegen sagt man heute, man kann jemandem das Wasser reichen“ (oder so). Sagt man dann auch „damals, da war am Nordpol ganz viel Schnee…“? Und es ist ja allseits bekannt, dass es nicht nur der Schnee ist, der wegen des Ozonlochs direkt überm Kopf des Nordpols schmilzt. Es sind auch Eisbären und Pinguine, die aussterben (auch, wenn Donald was anderes behauptet). Und die Art stirbt ja nicht von alleine aus, wie das „früher“ mal war. Die stibt ja nicht aus, weil sie sich nicht Darwinistisch im Überlebenskampf mit anderen Arten durchsetzen können. Sondern weil wir scheiß Menschen keine Scheiße auf unseren scheiß-sauberen Wiesen liegen haben wollen und sie statt dessen in Plastiktüten packen! Das ist doch absurd: weil wir keine Scheiße auf unserer Wiese liegen haben wollen, töten wir ganze Tierarten! Wem jetzt Pinguine und Eisbären zu weit weg sind: Mit unseren kurz geschorenen Wiesen töten wir zum Beispiel auch Bienen. Die brauchen nämlich Blumen. Wenn wir aber alle abmähen, nehmen wir diesen Überlebensraum. Stell dir vor, alle würden die Supermärkte einfach abmähen, dann hätten wir auch keine Überlebensgrundlage mehr. Wieso muss überhaupt schon wieder der Hund diskriminiert werden? Katzen und Pferde dürfen schließlich auch hin kacken, wo sie wollen! Wie absurd ist es, den Kot, der in die Erde gehört, in eine Tüte zu packen, deren Inhalt biologisch abbaubar ist und „null Problemo“ für die Umwelt darstellen würde – und jetzt zur weltweiten Plasikvermüllung beiträgt? Wenn sich irgendwas an diesem absurd hohen Plastikverbrauch vermeiden ließe, dann doch wohl BIO-Mist einfach da zu lassen, wo er hin gehört: In den Boden! Jaja, und was ist denn nur mit dem Gestank, den es in Stadtparks bedeuten würde, auf dem wir an lauen Sommerabsendenden entspannt picknicken wollen? An alle die denken, das liegt da dann für immer: Es ist ja nicht so, dass das stinkende Zeug in Null-Komma-Nix im Boden versunken ist. Wo es allerdings für immer vor sich hin stinkt, ist, wenn es auch noch in stinkende Plastiktüten gepackt wird, die sich dann besonders in der Hitze in ihrem Gestank gegenseitig bestärken. Wer muss diesen Gestank dann ertragen? Die armen Mitarbeiter bei der Müllabfuhr! Die haben sicher am allerwenigsten Bock, jeden Tag Scheiße in Plastiktüten wegzuwerfen! Apropos kein Bock! Was ist mit Menschen, die Flaschen sammeln? Haben die es nicht schon schwer genug, auch ohne, dass sie in Kotverschmierte Mülltonnen greifen müssen? Denn wer sagt, dass die Plastiktüten heile bleiben, sobald die einmal im Abfalleimer gelandet sind?! Die Supermärkte müssen dann den Kotverschmierten Pfand annehmen und das Problem wird von Hundebesitzern zu Supermärkten wegglobalisiert! Aber das alles wäre ja wieder nur eine Grundlage für den Deutschen, sich zu beschweren, über den Gestank in Parks, also ist doch alles tutti. Beschweren ist schließlich ein netter Zeitvertreib der Deutschen. Ich mache es ja auch grade: es tut gut. Es macht aber nichts auch nur einen Deut besser!

Warum nur tun wir Hundekot in Plastiktüten? Als ich mich abgeregt habe, gehe ich der Frage nach, denn aufregen tut zwar mal ganz gut, ist aber wahnsinnig anstrengend und ändert ja irgendwie auch nichts. Um etwas ändern zu wollen, muss es erst verstanden werden. Bei meiner Recherche stoße ich auf etwas, nach mindestens genauso riecht, wie der Hundekot: Geld.

Das Geschäft mit dem Kot und dem Geld

Über den Daumen gebrochen produzieren die etwa fünf Millionen Hunde in Deutschland bei einem durchschnittlichen Körpergewicht von 10kg täglich die beeindruckende Menge von drei Millionen Kilogramm Hundekot. Dies bringt beachtliche Entsorgungsprobleme mit sich.

Jeder Besitzer eines Hundes ist laut Gesetz dazu verpflichtet, selbstverantwortlich den Kot seines Haustieres zu entfernen. Der vorgeschriebene Weg: Plastik-Kotbeutel. Die Stadt Köln bietet auf ihrer Webseite dafür nur ein einziges Argument: Beschwerden durch Mitmenschen. Doch die Städte, Kommunen und Hundebesitzer kostet diese ganze Plastiktüten-Geschichte jährlich eine ganze Stange Geld. Vom Bau von flächendeckenden und schnell zu erreichenden Tütenspendern über den Kauf von für den Hundebesitzer kostenlosen Plastiktüten, deren Verteilung und Bereitstellung in den Spendern, die Instandhaltung der Spender (die zudem immer wieder beschädigt werden), Verwaltungsgebühren bei Verstößen, hin zur Entsorgung über die städtische Müllabfuhr entstehen immense Kosten. Um das mal in Zahlen auszudrücken: 20.000 Euro kostet es die städtischen Grünflächenämter jährlich, kostenlose Plastiktüten zur Verfügung zu stellen, plus der Kosten für die Mitarbeiter, um die Spender regelmäßig zu bestücken. Allein im Jahr 2013 hat die Hamburger Stadtreinigung 26 Millionen Beutel kostenlos zur Verfügung gestellt (26 Millionen Plastikbeutel in einem Jahr! Hat sich mal jemand überlegt, wo die alle hin sollen?!) – was das Amt 131.000 Euro gekostet hat.

Trotzdem machen alle mit. Hundebesitzer wie Politik stehen hinter dem Wahnsinnsprojekt. Die Gründe dafür sind ebenso an Geld gebunden und zwar in Form von Bußgeld. Zuerst ständen da die Kosten der Investitionen für die Tütenspender, die neben den Kosten stehen, die es benötigte, diese wieder abzubauen. Der CDU-Politiker Matthias Mehl fände es lächerlich, leere Tütenspender in der Stadt stehen zu lassen. Zudem lassen sich durch Bußgelder immense Einnahmen zusätzlich zur Hundesteuer machen: 90 Euro kostet es den Hundebesitzer, wenn sein Haustier an die Straße macht, auf Grünanlagen sind es 130 Euro und auf Spielplätzen fängt das Bußgeld ab 180 Euro an. Zusätzlich fallen 25 Euro Verwaltungsgebühren an (um die Umwelt an noch einem Faktor, Papier, zu zerstören). In Wiesbaden belaufen sich die Bußgelder sogar auf bis zu 250 Euro.

Die VhFs (Vereinigung der hanseatischen Flaschensammler) hat sich übrigens sogar tatsächlich darüber beschwert, dass Kot-Beutel häufig unsorgsam und schlecht verschlossen seien und ihr Sammelgut beschmiere, sodass dieses häufig nicht wieder in Pfand eingetauscht würde.

Sechsundzwanzig Millionen Plastikbeutel pro Jahr – pro Stadt

Sogar Jürgen Trittin ist bereits auf das Problem aufmerksam geworden! Ihm gehe die „unerhörte Menge der täglich anfallenden Plastik-Beutel“ schon seit längerem „derart auf den Zeiger“, dass hier endlich ein „ökologische Umdenken“ gefragt sei (ich bin also nicht die einzige, die sich anhand unangemessenen Sprachgebrauchs über die Platiktütenschweinerei aufregt). Trittin schlägt vor, den Kot in Jutebeuteln zu sammeln, diese dann in der heimischen Toilette herunter zu spülen und den Beutel einfach in die Waschmaschine zu stecken. Mal davon abgesehen, wie viel häufiger gewaschen werden müsste, haben sich wenige Hundebesitzer vor, den Kot ihrer Tiere auf einem einstündigen Spaziergang mit sich herum zu schleppen. Mittlerweile wären jedoch bessere Alternativen machbar: Was wäre mit biologisch abbaubare Plastiktüten? Zudem nimmt jede deutsche Stadt über die Hundesteuer jährlich 1,5 Millionen Euro ein. Mein Vorschlag: Nutzt das Geld, um die Parks plastikfrei sauber zu halten und hört auf, mit dem ganzen Geld sinnlose Plastikständer und Verwaltungsgebühren zu finanzieren.

Obwohl wir uns immer so aufregen, müssen wir Deutschen gestehen: Wir haben ein schönes Land. Mit ein bisschen weniger Bürokratie und ein bisschen mehr Blumen und Kot auf den Wiesen wäre es meiner Meinung nach sogar noch schöner.

Mandy Lüssenhop

Dieser Artikel wurde in keinem konventionellen Medium publiziert.

Bildquelle Titelbild: Eine Tonne vollgestopft mit Plastiktüten für Hundekot, unbekannter Fotograf (CC)

2 Kommentare zu „Über deutsche Manier und Hundekot in Plastiktüten

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