Iran im Dialog mit Trump

Khamenei und Repräsentanten der Führung, links von ihm Rouhani. Dez.’15 Foto: Khamenei.ir / CC-BY 4.0

Iranische Dissidenten fordern den neuen US-Präsidenten auf, Iran gezielt härter zu sanktionieren: Dreißig zum Teil prominente iranische Dissidenten haben im Dezember mit einem Brief an den künftigen amerikanischen Präsidenten Donald Trump für große Furore unter Iranern im In- und Ausland und insbesondere in den sozialen Medien gesorgt.

Die Berichterstattung des amerikanischen Fernseh-Networks führte schließlich auch zur erhöhten Aufmerksamkeit unter den Iranern. In den letzten Jahren haben mehrere prominente iranische Gruppen aus dem In- und Ausland Briefe an die Bush-Administration sowie vermehrt an Obama adressiert. Doch keine von ihnen erfuhr bisher ein derart großes Echo.

Etliche der dreißig Unterzeichner haben vor ihrer Ausreise oder Flucht aus dem Iran jahrelang in den berüchtigten Gefängnissen der Islamischen Republik verbracht. Von Donald Trump verlangen sie folgendes:

  1. umfassende verstärkte Sanktionen gegen das Finanzimperium von Ayatollah Khamenei sowie gegen die Revolutionswächter mit all ihren Zweig-, Tochter- und getarnten Unternehmen. Das United States Secretary of the Treasury soll die Sanktionen lückenlos implementieren und überwachen.
  2. Ein umfassendes Sanktionsregime gegen alle Offiziellen, die in den letzten knapp vier Jahrzehnten in Verletzung der Bürger- und Menschenrechte der Iraner involviert waren.
  3. Irans ballistisches Raketenprogramm sei eine Bedrohung für die regionale und internationale Sicherheit. Die Unterzeichner verlangen von der künftigen US-Administration die Gründung einer internationalen Koalition mit dem Ziel, Druck auf Teheran auszuüben, um sein Raketenprogramm zu stoppen.
  4. Die USA mögen gegen das aggressive und zerstörerische auswärtige Verhalten der Revolutionswächter in der Region und überall mit möglichen Mitteln vorzugehen.
  5. Die Achillesferse des Iranischen Regimes ist, dass die Bevölkerung es nicht mehr unterstützt. Die Vereinigten Staaten von Amerika mögen demokratische Oppositionen, die das khomeinistische Regime durch ein demokratisches ersetzen wollen, unterstützen.

Der Brief enthält direkte harte Kritik an Barack Obama und seiner Iran-Politik. Dieser habe bei dem Aufstand von 2009 die protestierende Masse zugunsten einer Verbesserung der Beziehungen zu Teheran und des Erzielens eines Nukleardeals im Stich gelassen. Zudem habe Obama im Januar 2016 400 Millionen US-Dollar Lösegeld für die Freilassung von vier inhaftierten Amerikanern überwiesen, welche nur durch das Nuklearabkommen vom Juli 2015 ermöglicht wurde.

Die iranischen Unterzeichner beteuern, dass Daesh (IS) und das Mullah-Regime die zwei Seiten derselben Medaille wären. Man verweist auf den erst 15-jährigen Libanesen Ahmad Qasir, der auf Geheiß des Iran (über die neu gegründete Hisbollah) am 11.11.1982 einen Selbstmordanschlag auf das israelisches Militärhauptquartier im Südlibanon verübte, bei dem 74 israelische Soldaten und 14 Zivilisten ums Leben kamen.

Im Iran gibt es mehrere Straßen, die nach Terroristen benannt sind, auch nach Ahmad Qasir. Das sei der Beginn des blinden islamistischen Terrors gewesen, wo weit und breit von Daesh nichts zu sehen war. So sei beispielsweise Charlie Hebdo als Anschlag in einer Kette von Angriffen auf die Bürgerrechte anderer Staaten zu begreifen, welche mit der Todes-Fatwa von Ayatollah Khomeini gegen den britischen Schriftsteller Salman Rushdi im Februar 1989 begann.

Der Brief enthält den indirekten Vorwurf an die Obama-Administration, dass sie durch den Nukleardeal Irans zerstörerischen regionalen Höhenflug stillschweigend geduldet habe. Das betrifft vor allem die umfassende Unterstützung des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad, der ohne iranischen Beistand längst nicht mehr an der Macht wäre.

Der Brief polarisierte die Iraner zutiefst. Nichtdestotrotz zeigt die überwältigende Aufmerksamkeit, dass er (positiv oder negativ) angekommen ist. Position wurde von Regime-Blättern über verschiedene Fraktionen innerhalb des Regimes, bis hin zu diversen iranischen Auslandsopposition bezogen. Als Reaktion haben ebenfalls 317 politische und zivilgesellschaftliche Aktivisten in einem offenen Brief das Schreiben an Trump als einen beschämenden Akt gegen die iranische Nation verurteilt.

Sie rechtfertigen ebenfalls Irans regionale Interventionen, welche der Sicherheit und den Interessen des Landes dienten. In diesem Kontext wird auch der Oberbefehlshaber der Al-Qodsbrigade (dem Auslandsarm der iranischen Revolutionswächter) Generalmajor Ghasem Solaimani als heldenhafter Patriot bezeichnet. Sehr viel Aufmerksamkeit hat dieser Brief der 317 nicht auf sich vereinigen können.

Was den Vorwurf des Landesverrates anbelangt, weisen das Regime und Teile der iranischen In- und Auslandsopposition einen gemeinsamen Nenner auf. Diese bezichtigen die Unterzeichner des Briefes der Befürwortung eines Militärschlags gegen den Iran bzw. vermuten sie die Intention, Donald Trump einen solchen Militärschlag nahezulegen. Des Weiteren legt man ihnen nahe, dass sie mit der Forderung nach umfassenden Sanktionen die iranische Bevölkerung treffen würden.

Viele Iraner reagieren allergisch gegenüber Forderungen ausländischer Hilfe seitens der Opposition, besonders wenn der Adressat die USA und deren Präsident Donald Trump heißt. Die Keule der manichäistischen Deutung – Vaterlandsliebe und Landesverrat – wird schnell geschwungen. Es gibt keine Statistik und keine Datenerhebungen, die belegen, was die Iraner in der Summe von dem Brief der Dreißig halten. Doch bei einer Durchschau der Positionen in der virtuellen wie realen Welt gewinnt man den Eindruck, dass die unterstützende Fraktion für den Brief sich in der Minderheit befindet.


Derartige Briefe sind keine Seltenheit. Briefe (offene und geheime) an US-Präsidenten zu schreiben, hat eine Tradition bei den iranischen Oppositionellen. Wir wissen heute, dass Ayatollah Khomeini mindestens an zwei amerikanische Präsidenten Briefe geschrieben hat (John F. Kennedy und Jimmy Carter), als er sich in der Opposition befand.

Nach dem Amtsantritt von Präsident Rohani (2013) haben etliche Prominente aus dem reformistisch-pragmatischen Lager Obama aufgefordert, die Sanktionen gegen den Iran aufzuheben und der neuen reformistischen Regierung die Chance zu geben, den Iran voranzubringen. Es stellt sich die Frage, warum andere Gruppen mit anderen Positionen und Haltungen nicht das Recht haben sollen, Briefe an einen US-Präsidenten zu schreiben.

Im Brief ist explizit von „gezielten Sanktionen“ gegen Einrichtungen des Obersten Revolutionsführers und der Revolutionswächter die Rede. Forderungen nach einem Militärschlag oder Sanktionen gegen andere Einrichtungen finden sich im Brief nicht. Der Brief ist insofern von Bedeutung, als er an eine Administration adressiert ist, welche konträr zu Obama gegenüber Irans Regime extrem feindselig gesonnen ist.

Obgleich man sich überhaupt noch nicht ausmalen kann, wie die Iran-Politik der Trump-Administration aussehen wird, gehören Trump und die Mitglieder seines zukünftigen Kabinetts zu den ausgewiesenen Kritikern des Teheraner Regimes.

Die Trump-Administration wird zweifellos die größte außenpolitische Herausforderung für die Islamische Republik Iran sein. Würden manche Forderungen des Briefes realisiert werden (wenn auch nicht als Reaktion auf den Brief, aber als Iranpolitik der neuen Administration), könnte dies Folgen sowohl auf die Politik als auf die Wirtschaft des Iran haben.

Das könnte die nächsten Präsidentschaftswahlen im kommenden Mai beeinflussen. Nach dem plötzlichen Tod der prägenden Figur der Islamischen Republik, Ali-Akbar Haschemi-Rafsandschani, der Rohanis mächtiger Mentor war, wird es schwer für Hassan Rohani.

Man vermag den Dreißig zustimmen, dass die Mehrheit der Iraner sehr unzufrieden ist, was jedoch nicht zwingend heißt, dass diese den Brief mittragen. Die Unterzeichner haben ebenfalls Recht in der Annahme, dass das Nuklearabkommen und die freigewordenen Milliarden-US-Dollar nicht den unter massiver Armut leidenden Iranern zugutegekommen sind. Investitionen wurden eher in regionale Abenteuer, in Syrien, Irak und Hisbollah getätigt.

Rohanis Regierung hat zwar eine positivere Bilanz vorzuweisen als sein Vorgänger Ahmadinedschad, was die Senkung der Inflationsrate (von über 40% in Ahmadinedschads Zeit auf ca. 12% und der Wirtschaftswachstumsrate aus dem Minusbereich auf gegenwärtig etwa 4% plus) anbelangt, doch das heißt nicht, dass die Lage der Iraner besser geworden ist. Irans Währung hat noch mehr an Wert gegenüber dem Dollar verloren als zu Zeiten Ahmadinedschads.

Iranische Verantwortliche von Ministern über Vizeminister zeichnen oft mit Statistiken eine desolate sozioökonomische und gesellschaftliche Situation (auch hier). Auf jeden Fall lässt sich sagen, dass die verheißungsvollen Hoffnungen der Iraner, welche auch Rohani mit seinen Wahlversprechen euphorisiert hatte, nicht annähernd eingelöst wurden.

In Bezug auf Nuklearabkommen „Barjam“ (die Farsi-Abkürzung für Joint Comprehensive Plan of Action/JCPA) lässt sich sagen, dass es sich de facto als Schutzschild für Irans regionale Interventionen erwiesen hat. Obama hat Irans „Aktivitäten“ in der Region geduldet, um das JCPA nicht zu gefährden. Dabei hätte er dem Iran auch dort einige Auflagen aufzwingen können, da die Mullahs angesichts des nahenden Kollapses der Wirtschaft fast jeder Bedingung – außer der Gefährdung ihres Regimes – zugestimmt hätten.

Präsident Rohani hat kürzlich zugegeben, dass der Iran ohne JCPA nur noch den Sold der Staatsdiener hätte tätigen können und sonst nichts. Wie wichtig JCPA für das Regime ist, kann man an überhasteten Reaktionen von Ayatollah Khamenei, Rohani und Außenminister Mohammad Javad Zarif auf Trumps Wahlgewinn ablesen.

Diese haben vor einer Annullierung des JCPA dringend und drohend gewarnt. In Teheran weiß man, dass ohne das Abkommen ein Militärschlag wieder zur Option wird, falls der Iran den Bedingungen der neuen Administration keine Folge leistet und seinen Nuklearkurs wieder aufnimmt.

Eine der großen Fehleinschätzungen der Obama-Administration lag im Vertrauen in das gekaperte Spiel zwischen dem reformistisch-pragmatischem und dem radikalem Lager im Iran. Obama hoffte, Rohani und Reformern mit dem JCPA stärken zu können und somit das auswärtige Verhalten des Iran auch in der Region positiv zu beeinflussen. Er lag völlig falsch.

Obwohl Fraktionsgefechte im Iran nicht geleugnet werden können, sind beide Lager Ayatollah Khamenei und dem ganzen Regime voll loyal gesonnen und bewegen sich nur im Rahmen der Regime-Interessen (nicht er nationalen Interessen und Interessen des Volkes). Taqiyya (Verheimlichung, Täuschung) gehört seit Ayatollah Khomeini zum festen Bestandteil der Politik der Islamischen Republik Iran.

Es gibt bei den Wahlen überhaupt keine dritte Möglichkeit für die Iraner; das Regime beschäftigt sich seit über zwanzig Jahren mit dem Zirkusspiel „Reformer-Hardliner“. Obama musste konstatieren, dass Irans auswertiges Verhalten von einer friedlich und sympathisch auftretenden Diplomatie nach Ahmadinedschads Ära heute sogar aggressiver geworden ist. Das Verbrechen der Islamischen Republik in Syrien, besonders in Aleppo, ist unbestritten.

Andere Staaten der Region wie Saudi-Arabien, die Türkei und Katar sind auch als Teilproblem im Syrien-Krieg involviert, aber die Statistiken über den Anteil des Quartetts (Assad, Iran, Russland und Hisbollah) sprechen Bände. Irans Regime fürchtet, dass Donald Trump sich zu diesem gekaperten Reformer-Hardliner-Spiel nicht hinziehen lässt.


Wenn Trump wie bisher angekündigt einen moderateren Kurs fährt, wird er das JCPA aufrechterhalten (im Wahlkampf hatte er mehrmals vom zerreißen desselbigen gesprochen), die Auflagen gegen den Iran jedoch erhärten und Inspektoren-Inspektionen („any time, anywhere“) durchsetzen. Iran würde somit einige Vorteile verlieren und eventuelle Verheimlichungen würden durch „any time, anywhere“-Inspections aufgedeckt werden.

Wenn Trump JCPA aufkündigt, werden sich die Machtkonstellationen in der Region verschieben. Eine andere Achillesferse des Iran sind noch härtere Sanktionen sowie das Damoklesschwert eines Militärschlages. Ohne JCPA würde Irans Schutzschild für regionale Abenteuer wegfallen. Es ist aber davon auszugehen, dass Trump das JCPA aufrechterhält, es aber an weitere Auflagen knüpft.

Die Unterzeichner des Briefes haben das Kernwesen der Islamischen Republik – Taqiyya – erkannt. Sie wissen, dass etwaige Veränderungen im Iran durch die Iraner selbst heraufbeschworen werden müssen, sind sich aber auch bewusst, dass dies … ohne internationale Unterstützung kaum möglich ist.

Unter den Unterzeichnern ragen der langjährige Gefangene des Regimes Ahmad Batebi und der Soziologe Majid Mohammadi heraus. Den Kern bildet aber eine Gruppe von ehemaligen politisch sehr aktiven Studenten der iranischen Universitäten mit kritischer aber starker Bindung zu oppositionell-reformistischen Fraktionen. Ihnen – wie auch der 317 – sollte man die freie Meinungsäußerung zugestehen. Die Dreißig können sich nicht über Nacht zum „Vaterlandsverräter“ umgewandelt haben.

Dr. Behrouz Khosrozadeh lehrt an Göttinger Institut für Demokratieforschung. Mandy Lüssenhop studiert Politikwissenschaft an der Georg-August-Universität Göttingen.

 Behrouz Khosrozadeh und Mandy Lüssenhop

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift „Telepolis“ in der Ausgabe August 2015 (klicke hier um direkt zur kostenlosen PDF-Online-Ausgabe zu gelangen). 

Bildquelle Titelbild: Eine Brücke in Iran, Pixabay (CC)

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